Prof. Dr. Alexander Holleitner, Walter Schottky Institute und Physik Department, Lehrstuhl für Nanotechnologie und Nanomaterialien, Technische Universität München, und Prof. Dr. Jan von Delft, Lehrstuhl für theoretische Festkörperphysik, Fakultät für Physik, Ludwig-Maximilians-Universität München geben Einblicke in das spannende und relevante Feld der Quantentechnologien.
In einfachen Worten: Was heißt Quantentechnologie?
Prof. Dr. Jan von Delft: In unserem Alltag begegnen wir alle den Gesetzmäßigkeiten der klassischen Physik. Wenn wir einen Ball in die Luft werfen, können wir genau sehen, wie er sich durch die Luft bewegt und könnten seine Flugbahn sogar voraussagen und berechnen. Zoomt man jedoch in unsere Alltagswelt hinein, auf die Ebene der Atome und Moleküle, verlieren diese Gesetzmäßigkeiten der klassischen Physik ihre Gültigkeit. Hier regiert stattdessen die Quantenmechanik mit Gesetzmäßigkeiten, die im Widerspruch zu unseren Alltagserfahrungen stehen. In der Quantenphysik können wir uns ein Atom z.B. nicht mehr nur als kleinen Ball, d.h. als Teilchen, vorstellen, sondern müssen es gleichzeitig auch als Welle beschreiben, die sich über einen bestimmten Bereich ausdehnt. In Folge lässt sich die Flugbahn eines Atoms – im Gegensatz zu der des Balls – nicht mehr exakt vorhersagen und ein Atom kann sich z.B. an mehreren Orten gleichzeitig aufhalten. Obwohl die Quantenmechanik und ihre Eigenschaften basierend auf unseren Alltagserfahrungen schwer vorstellbar sind, ist die Quantentheorie gut verstanden und in vielen Experimenten belegt. Die Quantentechnologie nutzt die Eigenschaften dieser Theorie für neuartige Technik. Dazu bedient sie sich beispielsweise einzelner Atome als Basisbaustein, die den Gesetzmäßigkeiten der Quantenmechanik unterliegen.
Was sind Beispiele für Quantentechnologien?
Prof. Dr. Jan von Delft: Quantentechnologien der sogenannten ersten Generation sind in unserer Industrie tatsächlich heute schon sehr weit verbreitet. Hier bildet das Verständnis von Quanteneffekten die Basis moderner Technik wie Mikrochips, Breitbandinternet oder Satellitennavigation. Unser Fokus liegt dagegen bei den Quantentechnologien der zweiten Generation, in denen Quantenzustände einzelner Teilchen gezielt präpariert und manipuliert werden und darüber hinaus miteinander verschränkt sein können. Verschränkung heißt, dass zwei oder mehrere Teilchen sich in demselben Zustand befinden und nicht mehr voneinander unterschieden werden können, obwohl sie sich z.B. an unterschiedlichen Orten befinden. Beispiele für Anwendungen der Quantentechnologien der zweiten Generation sind extrem präzise Sensoren (Quantensensoren) oder eine neue, sehr sichere Art der Datenkommunikation (Quantenverschlüsselung). Außerdem wird eine neue Art von Computern, sogenannte Quantencomputer, entwickelt, welche bestimmte Probleme sehr viel schneller lösen kann als jeder bisherige Computer.
Was macht das Thema aus Ihrer Sicht so spannend?
Prof. Dr. Alexander Holleitner: Mich hat von jeher fasziniert, dass man einzelne Elektronen, Photonen und Atome im Labor mittlerweile mit sehr großer Kontrolle detektieren und manipulieren kann. Es ist absolut spannend, dass aus dieser Fähigkeit, die uns umgebende Materie mit der ultimativen Präzession zu verstehen, eine Industrie erwächst, die unsere Gesellschaft z.B. mit den genauesten Widerstands- und Zeitnormalen sowie mit ultrasensitiven Sensoren voranbringen wird.
Warum ist jetzt die richtige Zeit, mehr über Quantentechnologien zu lernen?
Prof. Dr. Jan von Delft: bieten große Chancen, sind aber trotzdem durch gewisse physikalische wie technische Grenzen limitiert. Einige Anwendungen außerhalb der Forschungslabore sind schon etabliert, gerade im Bereich der Quantensensoren. Andere Felder wie die der Quantenverschlüsselung oder des Quantencomputings sind zwar teilweise auch schon kommerziell erhältlich, aber noch jung und ihre zukünftigen Potentiale müssen mit den heute realisierbaren gut abgeglichen werden.
Ein Beispiel: Um effiziente Quantencomputer zu realisieren, ist es maßgeblich, viele individuelle Quantenteilchen sehr präzise kontrollieren zu können. Bestrebungen in dieser Richtung entwickeln sich schnell, stehen aber auch noch vor großen technischen Herausforderungen.
Momentan ist die Zahl gut kontrollierbarer Quantenteilchen (Qubits) nicht besonders groß und die Systeme sind anfällig für Störungen, weshalb die Anwendungsmöglichkeiten außerhalb der Labore genau evaluiert und mögliche Use Cases auf ihren Nutzen sowie auf ihre Umsetzbarkeit hin überprüft werden müssen. In diesem Sinne ist ein Verständnis der Quantentechnologien gerade jetzt besonders wichtig, um den aktuellen Stand einordnen und echtes Potential von Hype unterscheiden zu können.
Wie können Unternehmen mit der Technologie starten, was sind die ersten Schritte?
Prof. Dr. Alexander Holleitner: Die Unternehmen müssen verstehen, wie man einzelne Quantenzustände misst und welchen technischen Aufwand man dafür benötigt. Genauso ist es essenziell, die theoretische Beschreibung der Quantentechnologien und damit Physik auf dem Level, das für die Unternehmen und die jeweiligen Produkte notwendig ist, verstehen und einschätzen zu können. Für die Unternehmen ist es essenziell bewerten zu können, ob der „Quantenvorteil“ für sie einen Produktvorteil verschafft und ob durch eine mögliche „Quantenüberlegenheit“ („quantum supremacy“) die technischen und marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen ihres Produkts möglicherweise ganz neu zu bewerten sind.
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